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Heimatverbunden und doch kosmopolitisch

Unter dem Motto „Gut vernetzt für einen starken Standort“ stand einen Abend lang Ostbelgien mit all seinen Facetten im Mittelpunkt. Unter den Gästen befanden sich nicht nur Wahl-Ostbelgier, sondern auch „Ostbelgier in der Welt“ sowie zahlreiche Partner der Marke Ostbelgien. Das Netzwerk selbst und der jährlich stattfindende Empfang der „Ostbelgier in der Welt“ existieren bereits seit dem Jahr 2000. Neun Jahre später kamen die Wahl-Ostbelgier hinzu. Mit der Gründung der Marke „Ostbelgien“ im Jahr 2017 sind nun auch Markenpartner bei den Netzwerkabenden mit dabei. Ihr haben sich mittlerweile über 300 Betriebe, Vereinigungen und Einrichtungen angeschlossen.

Spannendes Programm

Natürlich standen Gespräche und Networking in der stimmungsvoll erleuchteten ehemaligen Kapelle des Klosters Heidberg im Vordergrund. Darüber hinaus kamen die Gäste aber auch in den Genuss eines inspirierenden Programms. Den Anfang machte die Präsentation des Imagefilms „Handwerken in Ostbelgien“ und eine kurze Begrüßung durch Ministerpräsident Oliver Paasch. Der Zusammenschnitt „Best of Blogging“ dokumentierte kurz und knapp die diesjährige Blogging-Aktion „Heimvorteil Ostbelgien – Stadt, Land, Job“, bei der die Eupener Bloggerin Jille neun verschiedene ostbelgische Unternehmen aufsuchte und dabei in verschiedene Berufsfelder hineinschnuppern durfte.

Herrlich freche Liebeserklärung

Einen wortgewaltigen Auftritt legte im Anschluss die Spoken-Word-Künstlerin Jessy James LaFleur hin. In Aachen geboren und in Kelmis aufgewachsen ist die mittlerweile 33-Jährige seit 16 Jahren in der ganzen Welt mit ihrer Wortkunst unterwegs. Übrigens in deutscher, französischer und englischer Sprache. Seit vielen Jahren gibt sie ihr Metier in Workshops auch an andere Menschen weiter.

Beim Ostbelgien-Netzwerktreffen begeisterte sie mit den Texten „Grenzgänger“ und „Heimat“, die sie als Auszug aus ihrem Sprechtheater „Bekenntnisse eines Papierfliegers – Ein Nomadenmärchen“ für das ostbelgische Publikum ausgewählt hatte. Insbesondere die letzte Performance – eine ganz besondere und mit viel Wortwitz und Selbstironie gepfefferte Liebeserklärung an Ostbelgien – brachte das Publikum zum Toben.

Etwas leisere aber nicht minder berührende Töne schlug danach die gerade einmal 19-jährige Jana Laschet an. Die Ostbelgierin präsentierte neben ihrem selbstgeschriebenen Song „Strong“ im Laufe des Abends viele weitere Kostproben aus ihrem Repertoire und schuf damit den perfekten musikalischen Rahmen.

Kennen wir uns?!

Um den Netzwerkgedanken weiter zu fördern und die zum Teil ganz unterschiedlichen Gäste zusammenzubringen, wurde wie auch im vorherigen Jahr ein Interaktionsspiel durchgeführt. Per Memory-Karten, die den Teilnehmern bei der Begrüßung ausgehändigt wurden, mussten sich die jeweils richtigen „Dreierpärchen“ zusammenfinden. Diese wurden nicht nur vor der Fotowand abgelichtet, sondern konnten auch an einer Verlosung teilnehmen. Als Gewinne winkten zahlreiche Karten zu spannenden Kultur-Events in Ostbelgien.

Alle Markenpartner im Bereich Kultur und professionellen Kulturträger hatten sich hierzu als Sponsoren eingebracht. Durch den offiziellen Teil des Abends führte Daniel Niessen von der Netzwerkstelle der Marke Ostbelgien. Danach hatten die Teilnehmer genügend Zeit für persönliche Gespräche.

Heimat hat viele Gesichter

Unter den zahlreichen Gästen befanden sich auch Carole und Wolfram Schröder. Das Ehepaar hat einen internationalen Background: Sie kommt aus Bordeaux in Frankreich, er aus Eckernförde in Deutschland. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Düsseldorf fanden die Französischlehrerin und der Kaufmann im Stahlgewerbe in Eupen eine neue Heimat für sich und ihre zwei Töchter. „Eupen hat uns sofort überzeugt. Ursprünglich hatten wir Lüttich ins Auge gefasst, wo ich zur damaligen Zeit gearbeitet habe. Doch als ich eines Tages durch Zufall die Herbesthaler Straße nach Eupen hineinfuhr und dort die Schilder alle zweisprachig waren, da war sofort mein Interesse geweckt“, verrät Wolfram Schröder.

Seit 22 Jahren lebt die Familie mittlerweile schon in Eupen. Einen der größten Vorteile sehen sie darin, dass ihre Kinder dort problemlos auch in der Schule zweisprachig aufwachsen konnten.

„In Eupen hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass wir mit unserer zweisprachigen Familie Normalität leben können. Es gibt wenige Ecken in der Welt, wo man diese Internationalität so leben kann.“ Carole Schröder

Von Raeren nach Paris

Den umgekehrten Weg ging Sabine Schiffer. Die 48-Jährige kommt aus Raeren, hat in Namur und Louvain-la-Neuve Jura studiert, dann als Rechtsanwältin in Verviers und Brüssel gearbeitet. Schließlich folgte sie im Jahr 2003 ihrem Mann – ein gebürtiger Bretone – nach Paris. „Aufgrund der Tatsache, dass ich französisch, deutsch, niederländisch und englisch fließend spreche, habe ich dort schnell einen Job gefunden.“

Mittlerweile leben sie und ihr Mann in der Nähe von Versailles. Sabine Schiffer arbeitet dort als Steuerberaterin, die beiden gemeinsamen Kinder besuchen eine internationale Schule mit Deutsch-Abteilung. „Für mich war es immer selbstverständlich, dass meine Kinder so wie ich von Beginn an in eine zweisprachige Schule gehen. Über diese Schule konnten wir auch Kontakte zu vielen anderen internationalen Familien knüpfen.“ Dass sie als Belgierin perfektes Deutsch spricht, führt nicht selten zu erstaunten Blicken. Auch mit ihrem Namen assoziieren viele automatisch, dass sie aus Deutschland komme. Ihre Heimat besucht Sabine Schiffer regelmäßig.

„Auch für dieses Netzwerktreffen komme ich immer wieder gerne zurück.“ Sabine Schiffer

Eine „Tradition“ hat sie sich über all die Jahre bewahrt: „Wenn ich dann wieder Richtung Frankreich aufbreche, findet man in meinem Kofferraum immer einen Vorrat an belgischen Spezialitäten wie Chips oder Mayonnaise. Mittlerweile versorge ich damit auch einige meiner französischen Kollegen.“

Mehrsprachigkeit und „deutsche“ Tugenden

Rund die Hälfte der Gäste beim Ostbelgien-Netzwerktreffen waren Markenpartner, die mit ihrem Unternehmen oder ihrer Einrichtung auch als Botschafter der Region Ostbelgien in Erscheinung treten. So auch Gilbert Leyens. Der Geschäftsführer der Peter Müller GmbH ist seit 2018 Markenpartner und besuchte 2019 erstmalig das Netzwerktreffen.

„Nicht nur das Programm war klasse, auch kann man hier an einem Ort viele neue Leute kennenlernen oder alte Bekannte wiedertreffen“ Gilbert Leyens

Seine Firma mit Sitz in Amel hat sich im Holzsektor auf die Bereiche Koppelzäune und Tore, Pfähle für Obst- und Weinanbau, Holzbau- und -abbund sowie Holzimprägnierung spezialisiert. „Wir haben eine große Kundschaft in der Wallonie. 50 Prozent unserer Produkte werden allerdings exportiert, zum Beispiel nach Deutschland, Frankreich Dänemark, Irland, Portugal und in die Niederlande“, so Gilbert Leyens, der seit 32 Jahren in Stavelot lebt.

Nach dem Studium arbeitete der gebürtige Ostbelgier jahrelang in Lüttich. 2005 begann er bei der Peter Müller GmbH, wo er vier Jahre später in die Geschäftsführung einstieg. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal eine Stelle in einem Unternehmen finden werde, das nur zwei Kilometer von meinem Elternhaus entfernt ist“, verrät er schmunzelnd. Er berichtet, dass viele Kunden die ostbelgischen Qualitäten schätzen – nicht nur die Mehrsprachigkeit, sondern auch typisch deutsche Tugenden wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Qualitätsanspruch.

Und Action!

Auch das Unternehmen „ArTiVi“ und die 2016 gegründete VoG „Filmwerkstatt Ostbelgien“ gehören zur Markenpartnerfamilie. Dahinter steckt in erster Linie „Gründungsvater“ Jean-Marie Richter.

Der pensionierte Lehrer und Schulleiter setzt sich unermüdlich für den Bereich Medienpädagogik ein. Auf diese Weise erhielten schon unzählige ostbelgische Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, Filmprojekte umzusetzen, insbesondere über die Initiative „Action! – Kultur macht Schule“. Einer von ihnen ist der mittlerweile 19-jährige Oliver Hirschfeld. Mit elf Jahren nahm er das erste Mal an einem solchen Filmprojekt teil. Mittlerweile ist er Vorstandsmitglied der „Filmwerkstatt“ und studiert in Aachen „Medien und Kommunikation“.

Neuster Coup der Filmwerkstatt: Ein grenzüberschreitender Filmwettbewerb, der sich an Kinder und Jugendliche richtet. 40 Beiträge wurden bereits eingereicht. Im März 2020 findet die Preisverleihung statt. „Es ist toll, was Kinder auf die Beine stellen können. Im letzten Jahr etwa haben Schüler vom RSI Eupen einen Film über die jüdischen Kindertransporte zum Bahnhof Herbesthal in den Jahren 1938/39 erstellt. Dieser Film ist sogar bei einer Ausstellung in Köln gezeigt worden.“Bei dem Netzwerktreffen waren Jean-Marie Richter und Oliver Hirschfeld erstmalig dabei.

„Das war ein sehr interessanter Abend, der vor allem eines gezeigt hat: Wie vielseitig die Deutschsprachige Gemeinschaft ist. Und das wird auch grenzüberschreitend wahrgenommen“ Oliver Hirschfeld